Mein erster echter Euro
Zwischendrin habe ich schnell noch eine Pizza im Vorbeigehen gekauft, und da ist es passiert: endlich mein erster echter Euro. Einen Moment habe ich gestutzt, die Münze sah irgendwie komisch aus. Dann war es klar: Frankreich. Übrigens war's eigentlich gar kein Euro, sondern nur ein 20-Cent-Stück. Aber immerhin: Mein erstes echtes!
Natürlich sind die vielen Brandenburgertorstücke, Bundesadlermünzen und Pfennigreplikate ebenfalls echtes Geld. Jedenfalls dann, wenn's darum geht, Pizza, Milch oder auch Klopapier zu kaufen. Aber wenn sich hinter dem Euro eine Idee verbirgt (mal abgesehen von der ganzen Rhetorik zum gemeinsamen Binnenmarkt), dann ist es die eines über nationale Gültigkeit hinausgehenden Geldes. Und in dem Sinne sind Münzen aus den anderen elf Euroländern - und aus den drei Kleinstaaten mit eigenem Münzrecht - nicht nur Kuriositäten oder Sammlerstücke, sondern das sichtbarste Zeichen dafür, dass Euroland mehr ist als nur ein bürokratisches Konstrukt. Ich würde sogar soweit gehen und die These aufstellen, dass sich am Münzmischverhältnis in den Geldbeuteln ein Stück weit ablesen lässt, wie gut die europäische Integration klappt. Und ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis französische 20-Cent-Stücke, holländische Euros und griechische Zwei-Euro-Stücke den Status seltsamer fremder Geldbeutelgäste verloren haben, und alltägliche Normalität geworden sind. Wenn das eines Tages der Fall sein sollte, wenn die nationalen Rückseiten ihren nationalen Charakter transzendiert haben und Symbole für die Vielfaltskultur Europas geworden sind, dann lässt sich tatsächlich sagen, dass der Euro nicht nur eine neue Währung, sondern auch ein gelungenes Projekt der kontinentalen Vereinigung geworden ist. Bis dahin gilt nicht nur mein erster Blick beim Wechselgeld den Rückseiten.
(c) Till Westermayer, Januar 2002. Veröffentlicht in: u-asta-info 680, 24.01.02, S. 9.