Das Kleingedruckte

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Zitierweise
Till Westermayer (1998): StarTrek-Fans - eine imaginäre Gemeinschaft? Hausarbeit am Institut für Soziologie, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. [http://www.westermayer.de/till/uni/trek-h.htm].

StarTrek-Fans - eine imaginäre Gemeinschaft?

Till Westermayer, 1998

  • Anhang
  • Literaturverzeichnis

    Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i.Br.
    Institut für Soziologie
    Prof. Hermann Schwengel
    Seminar Phänomene der Globalisierung II
    Wintersemester 1997/98

    StarTrek-Fans - eine imaginäre Gemeinschaft?

    Die Fernsehserie StarTrek und ihre ZuschauerInnen aus Sicht der Theorie der globalen Kulturökonomie.


    Till Westermayer
    Kandelstr. 62
    79194 Gundelfingen
    till.we@3landbox.comlink.apc.org
    Soziologie (HF), Informatik (NF), Psychologie (NF)
    5. Semester (WS 97/98)

    19. Mai 1998


    StarTrek-Fans - eine
    imaginäre Gemeinschaft?

    Die Fernsehserie StarTrek und ihre ZuschauerInnen aus Sicht der Theorie der Globalen Kulturökonomie.

    0. Einleitung

    ,,Faszinierend!", könnte ich in Anlehnung an eine Hauptfigur der klassischen StarTrek-Serie ausrufen - so groß ist das Feld der Perspektiven, aus denen ein an sich ,,triviales" Medienprodukt wie die Science-Fiction-Fernsehserie StarTrek soziologisch untersucht werden kann. Diese Faszination der Möglichkeiten erschwert aber genauso selbstverständlich sofort auch die Wahl der faktisch ergriffenen Perspektive. Welche Aspekte sollen berücksichtigt werden, welche Aspekte können ignoriert werden? Wie kann schließlich das Produkt StarTrek zu Prozessen der Globalisierung in Bezug gesetzt werden?
    Für mich kristallisierten sich schließlich drei verschiedene Wege heraus, um StarTrek soziologisch zu untersuchen: Da wäre zum ersten die den cultural studies verwandte Sichtweise - etwa unter der Fragestellung, wie der Text StarTrek rezipiert wird, und wie die ZuschauerInnen und Fans mit den dort enthaltenen Konzepte umgehen (vgl. beispielsweise Weber 1997; Hellmann/Klein 1997; Heller 1997); im Bezug auf die Globalisierungsthematik vielleicht verbunden mit der These, daß StarTrek als Utopie einer positiv bewerteten Mega-Globalisierung gelesen werden kann. Eine zweite mögliche - und ebenfalls sehr spannende - Sichtweise wäre der Blick auf StarTrek als globales Medienprodukt, das von bestimmten Akteuren unter bestimmten Voraussetzungen und Erwartungen produziert wird, um von anderen Akteuren konsumiert zu werden. Hiermit wären Fragen nach der globalen Kulturindustrie verbunden gewesen, also etwa nach dem weltweiten Vertriebssystem für StarTrek und nach den Beziehungen zwischen nationalen Fernsehsendern und der Produktionsgesellschaft. Das Leitmotiv einer derartigen Untersuchung hätte ,,Warum wird StarTrek produziert?" lauten können - eine Frage, gestellt in der Annahme, daß die Antwort etwas umfangreicher ausfallen würde als das simple ,,Weil Paramount damit Geld verdient." bzw. ,,Weil die Leute es sehen wollen."
    Der Konjunktiv deutet bereits an, daß ich mich weder für die ,,klassischen" cultural studies noch für die Rückverfolgung des ökonomischen Akteursnetzwerkes[1] um das Produkt StarTrek entschieden habe, sondern für eine dritte Möglichkeit. Diese bestand für mich in der Fragestellung, ob und wie StarTrek über Begriffe wie den der imagined community (Anderson 1991), den des mediascapes bzw. der 'imagined world' (Appadurai 1990) oder den des tribes (Maffesoli 1996) mit den auf globaler Ebene stattfindenden Verschiebungen in der Konstituierung von Gemeinschaften, Kulturen und Identitäten in Verbindung gebracht werden kann. Oder als These formuliert: Die Fans der Fernsehserie StarTrek bilden eine neuartige, nicht-örtliche bzw. transnationale, um ein Medienprodukt[2] zentrierte, imaginäre Gemeinschaft.
    Praktisch möchte ich zur Untersuchung dieser These so vorgehen, daß ich zuerst einmal versuchen werde, den theoretischen Bezugsrahmen deutlich zu machen (Kapitel 1). An einem Beispiel aus einem anderen Bereich möchte ich zeigen, wie mit diesem Bezugsrahmen Prozesse kultureller Globalisierung erklärt werden können (Kapitel 2). Abschließend geht es um die Frage, ob und wie diese Prozesse auf StarTrek übertragen werden können (Kapitel 3) und ob sich dadurch die von mir formulierte These belegen läßt (Kapitel 4).

    1. Theoretischer Bezugsrahmen

    Den notwendigen theoretischen Bezugsrahmen für eine Arbeit, die sich mit Aspekten kultureller Globalisierung befaßt, soll eine Betrachtung der kulturellen Globalisierung als einem soziologisch untersuchbaren Phänomen bilden. Hierzu gibt es eine Vielzahl von sich mehr oder weniger stark widersprechenden oder ergänzenden Theorien. Ich habe mich dabei entschieden, mich auf Arjun Appadurais Text Disjuncture and Difference in the Global Cultural Economy (1990) zu beschränken und diesen relativ ausführlich darzustellen. Interessant wäre es dabei sicher auch gewesen, noch weitere Ansätze miteinzubeziehen, etwa Michel Maffesolis The Time of the Tribes oder den alternativen, Appadurai kritisierenden, auf der Weltsystemtheorie aufbauenden Ansatz von Jonathan Friedman. Aber auch Appadurai alleine bietet schon einiges an Material.
    Vorher werde ich versuchen, in einer kurzen allgemeinen Einführung an die Globalisierungsthematik und die Verortung der kulturellen Globalisierung innerhalb dieser heranzuführen. Den Schluß des Kapitels wird eine Diskussion bilden, in der ich Merkmale herausarbeiten möchte, die als Leitlinie für das dritte Kapitel dienen können. Dort soll es darum gehen, die Theorien kultureller Globalisierung auf StarTrek anzuwenden.

    1.1 Globalisierung

    Irgendwo zwischen Modewort und neuer Weltlieblingstheorie ist der Begriff »Globalisierung« einzuordnen, soviel ist klar. Was ist Globalisierung?, fragt da nicht nur Ulrich Beck (1997). Beck gibt in seinem Buch dann unter anderem auch Antworten auf diese Frage: Er grenzt Globalisierung einerseits ab vom Globalismus und andererseits von der Globalität. Diese beiden Grenzfälle definiert er wie folgt:

    Mit Globalismus bezeichne ich die Auffassung, daß der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, d.h. die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus. Sie verfährt monokausal, ökonomistisch, verkürzt die Vieldimensionalität der Globalisierung auf eine, die wirtschaftliche Dimension, die auch noch linear gedacht wird, und bringt alle anderen Dimensionen - ökologische, kulturelle, politische, zivilgesellschaftliche Globalisierung - wenn überhaupt, nur in der unterstellten Dominanz des Weltmarktsystems zur Sprache. (Beck 1997, S. 26; Herv. i. Orig.). Globalität meint: Wir leben längst in einer Weltgesellschaft, und zwar in dem Sinne, daß die Vorstellung geschlossener Räume fiktiv wird. Kein Land, keine Gruppe kann sich gegeneinander abschließen. Damit prallen die verschiedenen ökonomischen, kulturellen, politischen Formen aufeinander, und die Selbstverständlichkeiten, auch des westlichen Modells, müssen sich neu rechtfertigen. (1997, S. 27/28; Herv. i. Orig.).

    Globalisierung ist dann etwas, das weder die bloße Weltmarktwirtschaft repräsentiert, noch bloß als statischer Zustand einer Welt existiert. Beck bezeichnet schließlich Globalisierung als einen dialektischen Prozeß, ,,der transnationale soziale Bindungen und Räume schafft, lokale Kulturen aufwertet und dritte Kulturen [...] hervortreibt." (1997, S. 30). Zugleich grenzt er Globalisierung von älteren Weltzuständen ab durch ein empirisch meßbares, neuartig hohes Maß an Ausdehnung, Dichte und Stabilität der transnationalen Beziehungsnetzwerke, die sich zugleich in massenmedialer Selbstdefinition und in weltweiten Bilderströmen u.a. globaler Kulturindustrien widerspiegeln. Dieser dialektische Prozeß des Aufbrechens und Neu-Bildens lokaler und globaler Zusammenhänge ist auch insofern neuartig, als zwar gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse den nationalen Container verlassen haben und sich jetzt über große räumliche Entfernungen erstrecken, Staatlichkeit und Regierung aber überwiegend noch im klassischen Raum verblieben sind - ,,Weltgesellschaft ohne Weltstaat und ohne Weltregierung" (1997, S. 32).
    Der dynamische Prozeß der Globalisierung ist jedoch kein einheitliches Gebilde, sondern zeichnet sich gerade dadurch aus, dialektisch, sich selbst widersprechend, in einem gewissen Sinne paradox organisiert zu sein. In seiner Auseinandersetzung mit der Globalisierung aus sozialwissenschaftlicher Perspektive nennt Peter Schimany (1997) dann auch ein breites Spektrum von Begriffen, die sowohl als auch Teil der Globalisierung sind: Universalität--Partikularität, Homogenität--Heterogenität, Integration--Fragmentierung, Konvergenz--Divergenz, Standardisierung--Differenzierung, ... Schimany beschreibt darauf aufbauend das sozialwissenschaftliche Verständnis von Globalisierung wie folgt:

    Globalisierung bedeutet die Entstehung einer ,,Gesellschaft" des unbegrenzten Raumes. Diese Entwicklung ist eng an die Netzstrukturen der neuen Technologien und die weltweit gelenkten Ströme von Information, Kommunikation und Kapital gebunden. Diese Vernetzung trägt wesentlich zur Auflösung nationaler und lokaler Handlungszusammenhänge bei. Die Auswirkungen von Globalisierungsprozessen vollziehen sich jedoch nicht nur auf der Ebene des Weltsystems; sie konstituieren auch neue Beziehungen des Verhältnisses von Lokalität und Globalität und betonen gesellschaftliche Besonderheiten (Schimany 1997, S. 158)

    Wichtig erscheint mir hierbei vor allem die Verbindung zwischen der neuen Beziehung zwischen Lokalität und Globalität einerseits, wie sie vor allem Roland Robertson (1992) beschrieben hat, und den weltweiten Strömen von Information, Kommunikation und Kapital, andererseits, die Appadurai in den Mittelpunkt seiner Theorie stellt. Hier bieten sich dann auch Ansatzpunkte, um kulturelle Globalisierung in den Globalisierungsprozeß insgesamt einzuordnen. Einen Ansatz dafür hat Hermann Schwengel vorgeschlagen, indem er Globalisierung als Prozeß betrachtet, der ein Element der Trias Modernisierung, Konstitutionalisierung und eben Globalisierung bildet, und der sich zugleich analytisch zerlegen läßt in eine Vielzahl voneinander mehr oder weniger unabhängiger Prozesse. Einen solchen Teil-Prozeß der Globalisierung stellt für ihn die ,,reflexive Territorialisierung" dar, die als der Konstitutionalisierungsprozeß eines neuartigen, eben reflexiven Umgangs mit Raum verstanden werden soll - in einer gewissen Weise entsprechend der neuen Beziehung zwischen Lokalität und Globalität. Wird diese veränderte Raumauffassung mit dem Konflikt zwischen Subjekt und Gemeinschaft konfrontiert, mit der Frage der Moderne nach Kontingenz oder Identität, dann wird deutlich, daß reflexive Territorialisierung in diesem Fall als die Frage nach der nicht mehr am Raum orientierten Identität, nach globalen ,,virtuellen" Identitäten und entsprechenden Gemeinschaftsbildungen gelesen werden kann, und damit wieder zur kulturellen Globalisierung hinführt. Dieser spezieller Teilprozeß ist zugleich auch derjenige, der für die Beschreibung der StarTrek-Fangemeinde als möglicher imaginärer Gemeinschaft am ehesten nutzbar zu sein scheint.

    1.2 Appadurais Theorie der globalen Kulturökonomie

    Der Aufsatz von Appadurai (1990), auf den ich hier zurückgreife, handelt von der Trennung und Differenzen in der globalen Kulturökonomie. Trennung (disjuncture) und Differenz beziehen sich dabei auf fünf für Appadurai zentralen Dimensionen globaler kultureller Ströme, die er als Ethnoscapes, Finanscapes, Technoscapes, Mediascapes und Ideoscapes bezeichnet, und die zunehmend auseinanderklaffen und im Modus der Ungleichheit zueinander stehen. Wie kommt Appadurai auf diese mehrdimensionalen -scapes, also ,,Landschaften", wie auf den Begriff der ,,globalen Kulturökonomie"?

    The new global cultural economy has to be understood as a complex, overlapping, disjunctive order, which cannot any longer be understood in terms of existing center-periphery models (even those that might account for multiple centers and peripheries). Nor is it susceptible to simple models of push and pull (in terms of migration theory) or of surpluses and deficits (as in traditional models of balance of trade), or of consumers and producers (as in most neo-Marxist theories of development). Even the most complex and flexible theories of global development which have come out of the Marxist tradition [...] are inadequately quirky, and they have not come to terms with what Lash and Urry (1987) have recently called 'disorganized capitalism'. (Appadurai 1990, S. 296; Herv. von mir).

    Nach dieser Kritik an der Eindimensionalität und Unterkomplexität bisheriger Theorien, die sich nicht nur, aber vor allem auch auf Wallersteins Weltsystemtheorie bezieht, stellt Appadurai als Gegenmodell seine zutiefst perspektivische und keine übersubjektive Objektivität beanspruchende ,,Landschaften" vor, die er als Bausteine von dem sieht, was er, Benedict Anderson erweiternd, als ,,imagined worlds" bezeichnet - ,,imaginierte Welten". Anderson hatte sich mit dem Begriff der imagined community auf die Entstehung und Verbreitung von Nationalismus und Nationalbewußtsein bezogen, die er auf ein Modell zurückführt, das im Zusammenhang mit der Territorialisierung von Religionen, der Entwicklung von Landessprachen und vor allem dem Zusammenspiel von Kapitalismus und Druckerpresse steht, und das sich ausgehend von Amerika über den europäischen Imperialismus und die dagegen gerichteten Bewegungen in Asien und Afrika weltweit verbreitet hat (Anderson 1991). Appadurai bezieht diesen Begriff jetzt nicht mehr nur auf Nationalismus und das damit in Verbindung stehende eingebildete Gemeinschaftsgefühl, sondern auf ganze eingebildete oder nur vorgestellte Welten:

    ... that is, the multiple worlds which are constituted by the historically situated imaginations of persons and groups spread around the globe [...]. An important fact of the world we live in today is that many persons on the globe live in such imagined 'worlds' and not just in imagined communities, and thus are able to contest and sometimes even subvert the 'imagined worlds' of the official mind and of the entrepreneurial mentality that surround them. (Appadurai 1990, S. 296/297).

    Frederick Buell beschreibt in seinem Buch National Culture and the New Global System den Unterschied zwischen Appadurais Konzept und den Vorgängerkonzepten damit, daß dieser eine neue Art von deterritorialisierter, imaginierter Gemeinschaft beschreibt, die nicht wie Andersons imagined community auf dem Konzept der Druckerpresse basiert, sondern auf der Zugänglichkeit und Entwicklung der globalen elektronischen Medien. Diese Gemeinschaften sind - auch wenn sie sich als nationalistische Gemeinschaft verstehen - grundlegend transnational. Damit wird zugleich Wallersteins visualisierbares, euklidisches Zentrum-Peripherie-Modell durch etwas ersetzt, daß nur noch in Begrifflichkeiten des Chaos erfaßbar ist: ,,The result is a comprehensive, complexly interacting system that is by definition not totalizeable or deterministic, one that is bewilderingly heterogeneous and heterogenizing at a multitude of sites." (Buell 1994, S. 313). Imagination wird dabei zum quasi-ökonomischen Faktor: ,,Appadurai sees contemporary ,,reality" as more thoroughly culture-constructed than ever before; capitalism penetrated one of the last enclaves to resist it - the imagination - when the technology of culture entered the electronic-media stage." (Buell 1994, S. 315).
    Wichtig für das Verständnis dieser Theorie ist der Aufbau des Systems. Die unterschiedlichen ,,Landschaften" sind zwar nicht länger isomorph, sondern zeichnen sich gerade durch die starke Trennung aus; nichtsdestrotrotz gibt es aber Beziehungen zwischen ihnen. Die Grundlage für die imaginierten Welten bilden dabei Mediascapes und Ideoscapes, die wiederum auf Ethnoscapes, Finanscapes und Technoscapes aufbauen. Die Beziehungen zwischen Ethnoscapes, Finanscapes und Technoscapes bilden zwar den Baugrund für die Bilderströme der Mediascapes und Ideoscapes, stellen aber alles andere als eine simple, mechanisch zu denkende Infrastruktur dafür dar.
    Zuerst einmal zu diesem ,,Baugrund": Ethnoscapes stehen für Appadurai für die Landschaft der Personen, die die sich verschiebende Welt konstituieren, in der wir leben; er meint damit TouristInnen, EinwanderInnen, Flüchtlinge und GastarbeiterInnen, die als Personen und Gruppen zu einem essentiellen Bestandteil unserer Welt und der zwischenstaatlichen und innerstaatlichen Politik geworden sind. Unter Technoscapes versteht er dementsprechend die globalen Konfigurationen und Bewegungen von Technologien, die in einem engen Zusammenhang mit Geldströmen, politischen Möglichkeiten und dem Vorhandensein von Arbeitskräften stehen. (Appadurai 1990, S. 297f.) Diese zugrundeliegenden wirtschaftlichen und finanziellen Bewegungen könnten zwar noch mit traditionellen Indikatoren gemessen werden, aber durch die enge Beziehung zwischen dem Finanscape und den Ethno- und Technoscapes sinkt die Erklärungskraft dieser traditionellen Maßstäbe drastisch: ,,[...] the disposition of global capital is now a more mysterious, rapid and difficult landscape to follow than ever before" (1990, S. 298). Auf diesen drei Topographien bauen für Appadurai zwei weitere globale Netzwerke von Strömen auf, eben die Mediascapes und die Ideoscapes:

    'Mediascapes' refer both to the distribution of the electronic capabilities to produce and disseminate information (newspapers, magazines, television stations, film production studios, etc.), which are now available to a growing number of private and public interests throughout the world; and to the images of the world created by these media. These images of the world involve many complicated inflections, depending on their mode (documentary or entertainment), their hardware (electronic or pre-electronic), their audiences (local, national or transnational) and the interests of those who own and control them. [...] 'Mediascapes' [...] tend to be image-centred, narrative-based accounts of strips of reality, and what they offer to those who experience and transform them is a series of elements (such as characters, plots and textual forms) out of which scripts can be formed of imagined lives, their own as well as those of others living in other places. (Appadurai 1990, S. 298f).

    Auch Ideoscapes bauen auf Bildern auf, beziehen sich aber vor allem auf die Ideologien von Staaten und Bewegungen. Sie sind aus Versatzstücken des Vokabulars der Aufklärung aufgebaut, und bilden aus Begriffen wie ,,Freiheit", ,,Rechte", ,,Souveränität" oder insbesondere ,,Demokratie" inkohärente und lose strukturierte Zusammenstellungen der Politik und Ideologie unterschiedlich entstandener Nationalstaaten. Dabei werden Ideoscapes von unterschiedlichen ZuhörerInnen unterschiedlich gelesen und interpretiert; Appadurai spricht hier von terminologischen Kaleidoskopen. (1990, S. 299-301).
    Aus diesen fünf Elementen setzt sich die zentrale Botschaft zusammen: ,,[global flows] occur in and through the growing disjunctures between ethnoscapes, technoscapes, finanscapes, mediascapes and ideoscapes" (1990, S. 301; Herv. i. Orig.). Die Ströme von Menschen, Maschinen, Geldern, Bildern und Ideen folgen heute zunehmend unterschiedlichen Pfaden; es gibt nicht mehr nur kleinere Divergenzen zwischen ihnen, sondern schon alleine durch die enorme Geschwindigkeit und das gigantische Volumen dieser Ströme werden die Differenzen zwischen ihnen zum zentralen Thema. Eine Folge davon ist die Zunahme deterritorialisierter Bevölkerungsgruppen, häufig verbunden mit brutaler werdenden Identitätssuchen etwa in fundamentalistischen Bewegungen. Generell geht es Appadurai nicht um homogenisierende, hegemoniale Tendenzen, sondern um die Unterschiede und Widersprüche zwischen und innerhalb der globalen Ströme. Der Medientheoretiker James Lull faßt diese Ideen so zusammen:

    To repeat the central argument, Appadurai claims that the five scapes influence culture not by their hegemonic interaction, global diffusion, and uniform effect, but by their differences, contradictions, and counter-tendencies - their "disjunctures." [...] Globalization is best considered a complex set of interacting and often countervailing human, material and symbolic flows that lead to diverse, heterogeneous cultural positionings and practices which persistently and variously modify established vectors of social, political, and cultural power. (Lull 1995, S. 150f.)

    Appadurais Welt ist radikal fragmentiert und entspricht den Ideen eines fraktalen, uneinheitlichen Subjekts. Es gibt nicht mehr ,,das Zentrum", sondern nur noch eine Vielzahl vielfältig miteinander verbundener, interagierender Akteure, beispielsweise Nationalstaaten, multinationale Konzerne, Diaspora-Gemeinschaften, religiöse, ökonomische und politische Bewegungen, Dörfer, Nachbarschaften und Familien (Appadurai 1990, S. 296); Buell ergänzt das noch um ,,supranational religious groupings, civilizational identities, gender-identifying movements, occupational cultures (such as international societies of physicists), regional identities [...], fan clubs, and so on ..." (Buell 1994, S. 318).
    Zusammenfassend gesehen, bietet Appadurai einen Beschreibungsrahmen für die kulturelle Situation einer globalisierten Welt an, der in seiner Komplexität weit über alle bisherigen lineraren oder anderweitig uniformen Modelle hinausgeht, der es allerdings gerade durch diesen impliziten Nicht-Determinismus, diese Postmodernität, schwierig macht, Phänomene tatsächlich zu fassen. Auch die Theorie selbst kann sehr unterschiedlich aufgefaßt werden. So interpretiert Beck Appadurais Theorie - den Vor-Bild-Charakter der Bilderströme, aus denen Lebensstile zusammengebastelt werden, die Öffnung selbst hoffnungsloser Lebenslagen für das ,,sinistre Spiel kulturindustriell fabrizierter Imaginationen" (Beck 1997, S. 99) - als eine Theorie der neuen Macht ,,globaler Imaginationsindustrien". Für meine Begriffe greift Beck hier einerseits zu kurz (weil er viele Aspekte der globalen Kulturökonomie außen vor läßt) und andererseits zu weit (weil er die ironisch-hoffnungsvollen Seiten, die Appadurais Theorie von Wallersteins Fatalismus unterscheidet, völlig übersieht und statt mit einer dezentrierten Gesellschaft plötzlich mit einer einheitlich um Imaginationsindustrien zentrierten Gesellschaft dasteht).

    1.3 Erweiterung der Theorie der globalen Kulturökonomie

    Einen interessanten Ansatz zur Erweiterung von Appadurais Begrifflichkeit habe ich dem Sammelband Living the Global City gefunden, der vor allem aus Aufsätzen zur Analyse lokaler Globalisierungsphänomene in der global city London besteht. Eine dieser Analysen, die Tribal-Arts-Studie von Patricia Alleyne-Dettmers, möchte ich im nächsten Kapitel ausführlich als Beispiel für die Anwendung der Theorie und Begrifflichkeit vorstellen. An dieser Stelle geht es mir aber nicht um die konkreten Beispiele, sondern um die dahinter stehende Theorie. Die AutorInnen bauen dabei auf Roland Robertson, Anthony Giddens und eben Arjun Appadurai auf:

    Appadurai's model is attractively sensitive to the asymmetric flows of ideas, information, people and capital and it complements Robertson's cultural perspective through its rejection of the highly economistic approach adopted by Wallerstein in world system theory. Yet a question is raised by Appadurai's assumption concerning the stability of the communities and networks through which people move. (Eade 1997b, S.5)

    Die hier genannte Frage nach der Stabilität der Gemeinschaften und Netzwerke wird in diesem Band von Martin Albrow (1997) dahingehend beantwortet, daß er die fünf Landschaften Appadurais um eine sechste erweitert, die er als Socioscape bezeichnet. Aus dem Gefühl heraus, daß die alten Begriffe wie community oder neighbourhood unter globalisierten Bedingungen nicht länger brauchbar erscheinen, schlägt er die Einführung zweier neuer Begriffe vor. Albrow zufolge ist jedes einzelne Individuum eingebunden in ,,networks of social relations of very different intensity, spanning widely different territorial extents, from a few to many thousands of miles" (1997, S. 51). Diese individuumszentrierten, sich verschiebenden, teilweise überlappenden, teilweise strikt voneinander geschiedenen sozialen Formationen bezeichnet er als Sociosphere. Dabei soll offen bleiben, wieweit ältere Kategorien wie Familie, Gemeinschaft und Freundschaft oder neuere Kategorien wie Partnerschaft, Enklave und lifestyle group weiterhin auf diese Formationen anwendbar ist. Albrow begründet dies mit Effekten der Delokalisation sowie mit der zunehmenden Unbestimmtheit derartiger Klassifikationen. Er sieht trotzdem durchaus eine Verbindung zwischen dieser Soziosphäre und der Lokalität sozialen Handelns: ,,For each person their place in the locality represents a point where their sociosphere literally touches the earth." (1997, S. 52).
    Für jeden einzelnen scheint die jeweilige Soziosphäre relativ strikt von denen anderer Personen getrennt zu sein; es gibt nicht die Gemeinsamkeiten einer Gemeinschaft, sondern nur variable, vergängliche Berührungen mit anderen Akteuren, die in unterschiedlicher Intensität stattfinden und eher als tolerierbare Ko-Existenz den als engere Verbindung bezeichnet werden können. Für die soziologische BeobachterIn können die sich an einer Örtlichkeit schneidenden Soziosphären jedoch zu einem Socioscape zusammengesetzt werden, der die Ganzheit der Erfahrungen der an einem bestimmten Ort zusammenkommenden Personen enthält. Dieser Socioscape ist allerdings genauso wie Appadurais fünf andere Landschaften fluide, variabel und uneinheitlich - mit Verwerfungen übersät - und darf nicht mit einem festen Regelwerk verwechselt werden. Wenn eine BeobachterIn die Determinanten eines örtlichen Socioscapes bestimmen möchte, muß sie den Spuren der einzelnen Soziosphären folgen. Der Grund dafür liegt darin, daß einer der Schlüsseleffekte der Globalisierung für die lokale Ebene eben genau die auch von Appadurai genannten Trennungen früher zusammengedachter Elemente herbeiführt. Menschen können heute an einem Ort wohnen, ihr Netzwerk sozialer Beziehungen - ihre Soziosphäre - kann aber diesen Ort fast völlig verlassen, die bedeutungsvollen Beziehungen für diese Person liegen dann überall auf dem Globus, nur nicht am Wohnort. (1997, S. 52f.) Zugleich führt dies zu Verwerfungen in Bezug auf die Bedeutung der Örtlichkeit für soziale Beziehungen: ,,The locality is criss-crossed by networks of social relations whose scope and extent range from neighbouring houses over a few weeks, to religious and kin relations spanning generations and continents." (1997, S. 53). Einen konkrete Niederschlag finden derartige Soziosphären beispielsweise in dem um eine Person zentrierten sozialen Milieu (Dürrschmidt 1997).
    Eine weitere Erweiterung von Appadurais Terminologie liegt in einem Wechsel von der imagined community zur imaginary community, also von der vorgestellten, imaginierten Gemeinschaft, die aber auf einer irgendwo existententen realen Gemeinschaft beruht, zur imaginären Gemeinschaft, die nur noch mit einem sehr dünnen Faden an traditionelleren Ethnien und Kulturen hängt.

    1.5 Diskussion

    Welche analytischen Instrumente bietet die Theorie der globalen Kulturökonomie? Zuerst einmal ist diese nicht viel mehr als ein Denkansatz, der insbesondere als Reaktion auf das zunehmend häufige Auftreten von ethnischen Diaspora-Gemeinschaften zurückgeführt werden kann. Die Frage nach dem Entstehen national-kultureller oder ethnisch-kultureller Identitäten stellt zwar nicht mehr wie bei Anderson den einzigen Bezugspunkt dar, aber sie ist noch immer Ausgangspunkt der Überlegungen. Ethnoscape bildet somit in gewisser Weise einen Kern der Theorie. Von den weltweiten Bewegungen von Menschen kommt Appadurai zu Kapitaltransfers (Finanscape) und zur Verbreitung von technischer Infrastruktur und Technologie (Technoscape). Der verknäulte Zopf aus diesen drei globalen Strömen bildet dann gewissermaßen das Transportmedium, auf dem Mediascape und Ideoscape sich weltweit bewegen, hergestellt von Medienindustrien bzw. PolitikerInnen. Diese fünf globalen kulturellen Ströme stehen für die in verschiedenen Beziehungen zueinander befindlichen Elemente der globalen Kulturökonomie. Zur Beschreibung eines Fallbeispiels einer imagined world oder imaginary community müßte deswegen - abstrahierend von den individuellen Akteuren, auf deren Handeln letztendlich natürlich auch diese Ströme beruhen - dargestellt werden, welche Rolle die einzelnen -scapes jeweils spielen, wie ihre Topographie aussieht und vor allem, in was für einer Relation sie zueinander stehen. Ein hilfreiches Instrument zur weiteren Beschreibung liefert dabei sicherlich die Idee der Soziosphäre bzw. der Socioscapes, die für die neuartige Beziehung zwischen der Örtlichkeit und dem Sozialen steht. Im allgemeineren Bezug zur Globalisierung kann schließlich noch die Idee von in einem historisch bisher unbekannten Maße ausgedehnten, dichten und stabilen transnationalen Beziehungsnetzwerken als Maßstab für die Stärke der Globalisierung aufgegriffen werden.

    2. Tribal Arts: Afrika in London

    In diesem Kapitel soll die bereits erwähnte Tribal-Arts-Fallstudie vorgestellt werden, die sich mit der symbolischen Funktion afrikanischer Masken beim Londoner Notting Hill Carnival befaßt. Diese Tribal-Arts-Untersuchung von Patricia Alleyne-Dettmers (1997) wird von Ulrich Beck wie folgt beschrieben:

    Wie Patricia Alley-Dettmers [!] in ihrer Studie Trival [!] Arts zeigt, ist Afrika keine feste geographische Größe, kein abgrenzbarer Ort auf dem Erdball, sondern eine transnationale Idee und ihre Inszenierung, die an vielen Orten der Welt - in der Karibik, in den Ghettos Manhattans, in den Südstaaten der USA, in den Favelas Brasiliens, aber auch in dem größten europäischen Straßen-Maskenball in London - stattfindet, gezielt organisiert wird. (Beck 1997, S. 55)

    Beck übertreibt etwas, die Südstaaten der USA und die Favelas Brasiliens sind in Alleyne-Dettmers Studie nur implizit enthalten. Wichtiger erscheint mir jedoch, daß Beck den Aspekt der imagined community verabsolutiert. Denn Alleyne-Dettmers schreibt ausdrücklich: ,,From the perspective of the designer, Africa is not a specific geographical area. [...] Africa becomes an imagined community, which is aesthetically realized [...]" (1997, S. 178; Herv. von mir). Afrika ist immer noch ein Kontinent - aber eben für manche auch und vor allem ein Konzept. Die Sache scheint etwas komplizierter zu sein. Deswegen möchte ich im folgenden zuerst eine Zusammenfassung der Studie geben, um dann deutlich zu machen, in welchem Bezug sie zu Appadurais Theorie und Begrifflichkeit steht.

    2.1 Zusammenfassung des Fallbeispiels

    Alleyne-Dettmers untersucht den Notting Hill Carnival vor allem als ein Beispiel für global compression. Sie bezieht sie sich auf vier Effekte: (1) das Konzept multipler diasporization aufgrund der mit der Globalisierung verbundenen Raum-Zeit-Kompression, (2) neue Formen der Fragmentation und Disjunktion, die aus dieser multiplen diasporization entstehen und die zu Veränderungen des Ortsbegriffs führen, (3) die Ästhetik des Carnivals als Symbol und Medium für starke Frauen und zur Mobilisation der Unterdrückten, und (4) pluralistische Lesarten nationaler Identität, die im Rahmen des Carnivals in Wettstreit miteinander treten (Alleyne-Dettmers 1997, S. 165). Praktisch geht sie nach einigen theoretischen Vorüberlegungen zuerst auf die Ursprünge des Notting Hill Carnivals ein. Danach stellt sie Tribal Arts vor - das Motiv, mit dem einer der Carnival Clubs sich 1993 präsentierte. Sie geht auf die besondere Rolle der Frauen als Carnival Queens ein (ebenfalls am Beispiel der Tribal-Arts-Präsentation) und kommt dann zu den Schlußfolgerungen über Afrika als Konzept oder Idee, auf die sich beispielsweise auch Beck bezieht. Ich möchte hier ihre Beschreibung der Enstehung und Funktion des Carnivals und ihre Schlußfolgerungen zusammenfassen:
    Der Notting Hill Carnival wurde von EinwanderInnen aus Trinidad nach Großbritannien gebracht. Trinidad bzw. die Karibik war und ist selbst eine Gesellschaft, die aus dislozierten, fragmentarischen und disparaten Strukturen besteht - Folgen der Versklavung der EinwohnerInnen Afrikas, deren Nachkommen in der Karibik in ethnisch vielfältigen diasporischen Gemeinden lebten. In der Folge der globalen Raum-Zeit-Kompression, mit erleichterten Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten gab es erneut Wanderungsbewegungen dieser African-Caribbeans, diesmal nach Großbritannien und insbesondere nach London, wo sie als eine von vielen randständigen Minderheiten in der britischen Gesellschaft auftauchten, die sich untereinander in Auseinandersetzungen um Anerkennung befinden. Der Notting Hill Carnival entstand, nachdem es in Notting Hill zu Ausschreitungen gegen nicht-weiße Minderheiten kam, und nachdem sich infolgedessen EinwanderInnen von unterschiedlichen karibischen Inseln zusammenschlossen, die sich in der Karibik nie begegneten. Dieser Zusammenschluß afro-karibischer MigrantInnen fand im Carnival - dem mas, also dem Maskentanz - ein Symbol der eigenen Solidarität. Insofern entstand mit dem Carnival eine neue Kollektivität. Diesen Prozeß der Bildung und des Auseinanderfallens neuer, zum Teil artifizieller Kollektive im Angesichts der politischen Ausgrenzung durch die Mehrheitsgruppen, der zu immer wieder neuen Symbolgebungsprozessen und zugleich zu Verwerfungen und Veränderungen in den Identitäten führt, bezeichnet Alleyne-Dettmers als multiple diasporization. (1997, S. 168).
    Der Carnival hat sich in der Folge zu einem wichtigen öffentlichen Forum entwickelt, auf dem unterschiedliche ethnische Gruppen sich in ihren temporären, nationalen Identitäten präsentieren, die sich im gegenseitigen Wettbewerb ständig verändern. Die Themen des Carnivals reichen von afrikanischen Stammestraditionen über südostasiatische Festivitäten bis hin zu politischen Themen oder gar zu Star Trek (1997, S. 163). Der Carinval ist damit zugleich Symbol einer kulturellen Identität, die nur noch als etwas mehrdimensionales, fluides beschrieben werden kann und keinen festen Kategorien mehr gehorcht. In ihrer Studie geht Alleyne-Dettmers näher auf das bereits erwähnte Tribal Arts-Thema ein. Das Konzept des Designers Carl Gabriel bestand darin, mit Hilfe afrikanischer Stammesmasken den Naturzyklus Geburt--Tod darzustellen. Die Masken bzw. die Vorlagen dafür entstammen vier geographisch getrennten Gebieten Afrikas und sind jeweils mit unterschiedlichen Traditionen und Bedeutungen verbunden (1997, S. 169-174).
    Interessant sind jetzt vor allem die Schlußfolgerungen, die Alleyne-Dettmers aus diesem Maskenthema zieht. Die Intention des afro-karibischen Designers lag klar darin, mit Hilfe des Rückgriffs auf afrikanische Traditionen die ,,black national identity" (1997, S. 178) zu stärken. Die Neubewertung und Neuinszenierung dieser Elemente afrikanischer Kultur soll dazu dienen, die wiederholt in Netze fremder Kulturen eingebundenen African-Caribbeans an ihre eigenen afrikanischen Wurzeln zu erinnern, die häufig in Fortführung westlicher Bewertungen als negativ, gar als Nicht-Identität angesehen wurden. Paradoxerweise sind aber gerade die im Umzug verwendeten Masken vor allem das Produkt der durch Museen und Ausstellungen afrikanischer Kunst angeregten Imagination des Designers, die weit von ihren ursprünglichen Kontexten entfernt existieren - einerseits authentisch, andererseits gewissermaßen sinn-los. In der persönlichen Rekonstruktion (oder Erfindung?) Afrikas durch den Designer wird Afrika nicht als geographisch-historischer Kontinent verstanden, sondern als ein bestimmtes Konzept, das im konkreten, lokalen Umfeld des städtischen Londons einen Teil einer imaginären globalen community implementiert, und das - zumindest während der paar Stunden des Umzugs - als kraftvolles Symbol belebt wird, das die afrikanisch-karibische Geschichte verkörpert: ,,black people start to develop a sense of self-assurance and self-respect" (1997, S. 179).

    2.2 Bezüge zu Appadurais Theorie und Begrifflichkeit

    [T]he research is motivated by an interest in the notion of global compression and its specific impact on the flow of aesthetic ideas, symbols and fashions around the globe. The chapter is also informed by three related processes which underlie the mechanics of global migration and global flows of the peoples of the African-Caribbean diaspora. These processes include the influences of ethnoscape and mediascape [...], the socioscape [...] and how these processes impact directly on these peoples' representations of cultural identity in Britain. (Alleyne-Dettmers 1997, S. 164)

    Ein Satz aus der Studie umreißt für meine Begriffe die Zusammenhänge sehr gut: ,,Through this aesthetic, imaginary reconstruction of denigrated African culture powerful symbols belonging to the African continent are moved around the world." (1997, S. 179). Ich möchte jetzt versuchen, die verwendete Theorie Appadurais zu seiner Begrifflichkeit in Beziehung zu setzen. Alleyne-Dettmers schreibt selbst, daß sie sich auf Ethnoscape, Mediascape und Socioscape bezieht.
    Die Ethnoscape-Landschaft besteht hier insbesondere aus einer sich über mehrere Generationen erstreckenden Wanderung, die mit der Verschleppung afrikanischer Menschen in die Karibik beginnt, und sich in einer Wanderungsbewegung in die Metropole London fortsetzt. Dies wird durch globale Reisemöglichkeiten erleichtert. Von London aus gesehen taucht ein globaler Strom von Menschen ins Blickfeld. Die Landschaft ist aber noch deutlich vielfältiger. Einerseits ist es weder Afrika noch die Karibik: Die Vorfahren dieser Menschen stammten aus unterschiedlichen Regionen Afrikas und lebten auf unterschiedlichen karibischen Inseln - vereint nur durch eine imaginäre afrikanisch-karibische Gemeinschaft, die sich erst in London bildet. Andererseits bleibt dies nicht die einzige Bewegung: die African-Caribbeans werden in der Global City London genauso mit schon länger dort lebenden EinwanderInnen von den Westindischen Inseln konfrontiert wie mit innerbritischen Wanderungen. Schließlich kann auch die Präsentation ,,exotischer" bands im Carnivalszug als Beitrag zum Ethnoscape verstanden werden.
    Jedes Individuum dieser Bevölkerungsgruppe ist in ein spezifisches Netzwerk sozialer Beziehungen eingebunden. Martin Albrow, auf den Alleyne-Dettmers sich ebenfalls bezieht, hat dies als Soziosphäre bezeichnet. In Notting Hill treffen die Soziosphären dieser Individuen mit vielfältigen anderen Soziosphären zusammen. Dabei formen sie einerseits gemeinsam den unübersichtlichen Socioscape Notting Hills, in dem der Carnival einer der Berührpunkte zwischen disjunkten Gruppen ist. Andererseits ist dieses Zusammentreffen unterschiedlicher Soziosphären nicht immer friedlich und harmonisch zu interpretieren. Es kommt zu Konflikten, zu wechselseitigen Interaktionen zwischen verschiedenen Gruppen. Neue Koalitionen bilden sich, neue Netzwerke entstehen, die wiederum in bestimmten Beziehungen zu dem Ort stehen und eigene Identitäten ausbilden. Alleyne-Dettmers spricht hier von multiple diasporization.
    Der dritte Strom, der eine gewichtige Rolle spielt, ist der globale Strom der Bilder. ,,Some African-Caribbeans were nostalgic for an African homeland even though many had never seen or knew much about Africa." (1997, S. 178). Bestandteile des Mediascapes sind etwa die medial vermittelten Vorstellungen über Afrika in Nachrichtenbildern und Reiseprospekten. Eine große Rolle spielen die Austellungen über afrikanische Kunst - auch diese reisenden Bilder würde ich dem Mediascape zurechnen. Schließlich gibt es den Carnival selbst, dessen Designer und Akteure zugleich auch Bilderproduzenten sind. Bestimmte Ideen[3] werden künstlerisch-ästhetisch umgesetzt und von anderen direkt oder per Fernsehübertragung - oder auch per Internet[4] wieder aufgenommen. Für dieses sich fortsetzende Spiel der Selbstreflektion und der dadurch entstehenden Stabilität bedeutet natürlich Alleyne-Dettmers (gut bebilderter) Beitrag selbst ebenfalls etwas.
    Die drei beteiligten Landschaften entsprechen sich nicht, sondern liegen in einem ,,unordentlichem" Verhältnis zueinander. Aber gerade aus diesen Verwerfungen heraus entsteht die Möglichkeit, daß die Diasporagemeinschaft der African-Caribbeans - unter anderem durch den Carnival - Identität und Selbstwertgefühl produziert, indem sie - d.h. jedes einzelne Individuum - sich selbst als mehr oder weniger stark integrierten Teil einer imaginierten oder imaginären Gemeinschaft sieht. Diese Gemeinschaft kann als eine Form der globalen Idee ,,Afrika" begriffen werden, sie kann aber ebensogut in ihrem Niederschlag im Socioscape Notting Hills, in einer Besetzung des lokalen Raums mit bestimmten kulturellen Identitäten gefunden werden.

    3. Übertragung auf StarTrek

    3.1 Die Fernsehserie StarTrek: Facts and Fiction

    In diesem Kapitel soll es darum gehen, die Science-Fiction-Serie StarTrek mit den im Kapitel 1 dargestellten Mitteln - insbesondere also auf der Grundlage von Appadurais Theorie und Begrifflichkeit - zu untersuchen. Dazu zuerst einmal ein paar Worte zu StarTrek: Die ersten Folgen der Fernsehserie wurden 1966 ausgestrahlt; seit diesem Zeitpunkt hat sie sich zu einem vielfältigen Medienprodukt entwickelt, das mehrere Kinofilme, unterschiedliche Spin-off-Serien, Bücher, Merchandising-Produkte und seit kurzem auch einen Freizeit-Themenpark umfaßt. Einen chronologischen Überblick über diese Entwicklung gibt der Anhang.
    Das Hauptelement der Serie ist der Weltraum, der von einem Raumschiff (Raumschiff Enterprise, The Next Generation, Voyager) bzw. einer Raumstation (Deep Space Nine) aus erforscht und kennengelernt wird. Die aus jeweils etwa einem Dutzend Personen bestehende Besatzung der oberen Ränge des Raumschiffes bzw. der Raumstation bleibt dabei in den einzelnen Serien von Folge zu Folge weitgehend gleich und bildet die Hauptcharaktere der Sendung; sie ist nach mehr oder weniger multikulturellen Kriterien zusammengesetzt (vgl. Weber 1997). In den einzelnen Folgen geraten die gesamte Besatzung oder Teile davon zumeist in den Kontakt mit äußeren Gefährdungen (unbekannte Planeten, angreifende Raumschiffe, seltsame Gäste, und andere ,,Weltraum-Phänomene") oder aber es kommt zu internen Konflikten oder technischen Problemen, die in der jeweiligen Folge gelöst werden (vgl. Dewi 1997a). Das Serienuniversum ist in den vergangenen mehr als 30 Jahren teils durch die AutorInnen der einzelnen Folgen, teils durch Fan-Aktivitäten sehr komplex und detailreich ausgearbeitet worden, sowohl was technische als auch was soziale und philosophische Aspekte betrifft. Räumlich erstreckt es sich über den Bereich unserer Milchstraße, politisch gibt es neben der ,,Vereinigten Föderation der Planeten", der die Menschen und andere Spezies angehören, verschiedene fremdartige Imperien mit anderen sozialen Organisationsformen und andersartigen Werten. Der Zeitraum, in dem die Serie verortet ist, umfaßt mehrere Jahrhunderte und geht bis ins 24. Jahrhundert. (Vgl. Dewi 1997a, Berreth/Witten 1997).
    Die Serie wird von der in Hollywood ansässigen amerikanischen Produktionsgesellschaft Paramount hergestellt, die Kino- und Fernsehfilme und -serien produziert. Seit einiger Zeit verfügt Paramount auch über ein eigenes Fernsehnetzwerk in den USA (UPN). An der Produktion der Serie sind weiterhin freischaffende AutorInnen und diverse Firmen für optische Spezialeffekte, Modellbauten etc. beteiligt. Geld verdienen an StarTrek außer diesen Firmen die Verlage und Händler von Büchern, Video- und Audiokassetten sowie sonstiger Merchandising-Produkte. Wichtige Akteure auf der Seite der Imaginationsindustrie sind schließlich und nicht zuletzt die Fernsehanstalten, die die Ausstrahlungsrechte für ein bestimmtes Gebiet kaufen und StarTrek lokal ausstrahlen, wobei zumeist hohe Quoten und Werbeeinnahmen erreicht werden. (vgl. Reeves-Stevens 1996). Nicht unerwähnt bleiben dürfen die ZuschauerInnen und unter ihnen insbesondere die StarTrek-Fans. Alleine in Deutschland soll es etwa 10.000-12.000 in Clubs organisierte Fans geben (vgl. Dewi 1997b), dazu muß wahrscheinlich noch eine nicht unerhebliche Dunkelziffer nicht-organisierter Fans gezählt werden.
    Nach einigen Vorüberlegungen zur Untersuchung der Serie (Abschnitt 3.2) wird es im folgenden darum gehen, vor allem die Fans der Serie StarTrek als potentielle Mitglieder einer imaginary community näher unter die Lupe zu nehmen. Dazu soll vor allem Appadurais Terminologie dienen. Wichtig sind jedoch nicht nur die Fans (als quasi-Ethnoscape?), sondern auch die mit StarTrek verbundenen Medienindustrien. Die Leitfrage ist also für dieses Kapitel die Frage nach den an der weltweiten Verbreitung der StarTrek-,,Kultur" Beteiligten und davon ,,Betroffenen", sowie nach der Gestalt und Ausdehnung der Verbreitungswege.

    3.2 Vorüberlegungen zur Untersuchung der Serie

    Ein Problem stellt sich, bevor Appadurais Begriffe auf StarTrek angewendet werden können: Sowohl Tribal Arts als auch die meisten anderen etwa von Appadurai selbst erwähnten Beispiele beziehen sich mehr oder weniger explizit auf (ehemals) territoriale Einheiten, auf Ethnoscapes, auf Diaspora-Gemeinschaften - in irgendeinem Sinne auf tatsächliche oder auch nur imaginierte Nationen, Befreiungsbewegungen, Ethnien, etc. Das Ziel dieser Arbeit ist es jedoch, ein Medienprodukt - StarTrek - und seine Anhängerschaft mit Appadurais Instrumenten zu untersuchen. Es stellt sich also die Frage, ob diese Beschreibungsmöglichkeiten überhaupt auf ein Medienprodukt übertragen werden können, das nicht auf den imaginierten Bildern einer Nation beruht, sondern auf Fiktion und Unterhaltung. Eine Möglichkeit, mit dieser Fragestellung umzugehen, besteht darin, StarTrek als einen Strom von Bilder über die USA zu lesen, die den US-amerikanischen (oder etwas weiter gefaßt, den westlichen) Lebensstil - ähnlich wie Dallas oder wie andere ,,realistische" Soap-Operas - widerspiegeln. Natürlich verzerrt dabei u.a. die Verlagerung in die Zukunft die Darstellungsweise extrem. Die andere Möglichkeit liegt darin, sich zu überlegen, in welcher Form von den ethnozentristischen imagined communities auf diesen Fall einer medienbasierten imaginären Gemeinschaft verallgemeinert werden kann. Beide Möglichkeiten sollen nun kurz erläutert werden.

    3.2.1 StarTrek als USA, imagined version

    Zur Frage, wieweit die erste Vorgehensweise zulässig ist, gibt Ingrid Weber, die StarTrek als Entwurf des Kontakts mit dem Fremden liest, einige Anhaltspunkte. Sie untersucht als Ausgangspunkt für ihre Arbeit u.a. den Bezug zwischen StarTrek und Amerika. Dabei stellt sie fest, daß es in der Intention des Erfinders Gene Roddenberry lag, daß die Serie eine fiktive Realisierung des amerikanischen Traums von harmonischer Koexistenz darstellen soll. (Weber 1997, S. 54f.) Entsprechende politische Interpretationen der Serie - etwa Bezüge zum Kalten Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion - existieren ebenfalls in der Sekundärliteratur zu StarTrek.

    Manche Kritiker sind der Meinung, daß sich in der Gesellschaft, wie sie in Star Trek dargestellt wird, das amerikanische Demokratieverständnis aus Roddenberrys Tagen zu Lasten anderer Lebensanschauungen durchgesetzt habe, und sehen daher im Ergebnis von Roddenberrys Absichten die amerikanische imperialistische Politik verkörpert [...] (Weber 1997, S. 54)

    Diese expliziten und impliziten Gleichsetzungen zwischen der in StarTrek dargestellten Gesellschaft und mainstream USA halten Weber jedoch nicht davon ab, die Serie trotzdem zur Grundlage interkultureller Untersuchungen zu machen. Sie sieht Möglichkeiten, ,,die über die Interpretation der Serie als Produkt amerikanischer Nationalkultur hinausgehen." (1997, S. 56). Es ist umstritten, wie amerikanisch StarTrek wirklich ist. Kerstin Meyer, die in ihrer Hausarbeit Die Science-Fiction Serie Star Trek als amerikanischer TV-Export dieser Frage nachgegangen ist, kommt zu der Schlußfolgerung: ,,Star Trek enthält viele amerikanische Momente, bedient sich aber auch Einflüssen aus anderen Kulturen, maßgeblich aus der europäischen Tradition. Insofern kann sie zumindest als »westliche« Serie aufgefaßt werden." (1998, S. 18).
    Wenn StarTrek als eine Art quasi-Ethnoscape aufgefaßt werden soll, so müsste wohl auf jeden Fall die enge Verbindung zum westlichen oder vielleicht sogar amerikanischen Kulturkreis miteinbezogen werden. Dafür spricht auch die - relativ dünne - Datenbasis über die Verbreitung von Fanclubs u.ä., die es allem Anschein nach vor allem in der angelsächsischen Welt, insbesondere in den USA und danach in anderen westlichen Ländern. Möglicherweise kann StarTrek hier auch nicht als einheitliches Produkt aufgefaßt werden, sondern muß in einen zeitlichen Bezug gesetzt werden, etwa in dem Sinne, daß die frühen Folgen amerikanischer geprägt waren als die neueren, die mehr und mehr Ideen einer Weltgesellschaft reflektieren.

    3.2.2 StarTrek als reine Fiktion

    Es gibt allerdings auch Anhaltspunkte, die für die Alternative sprechen, StarTrek als Medienprodukt ohne große Rücksichtnahme auf den nationalstaatlich-kulturellen Bezug auf die westlichen Traditionen zu untersuchen. Unterstützt wird diese Position durch die Rezeptionsforschung der cultural studies, die deutlich macht, daß das Publikum einer Fernsehsendung alles andere tut, als willig das in sich aufzunehmen, was in die Sendung hineingesteckt wurde. Stattdessen setzt es die Medienbilder in eine Beziehung zum eigenen lokalen Kontext. James Lull beschreibt diesen Paradigmenwechsel der cultural studies wie folgt: ,,One of the key theoretical developments in cultural studies research in recent years has been to show how audience members create their own meanings from media content to control certain aspects of their experience with media" (1995, S. 111f.). Selbst wenn StarTrek eine durch und durch amerikanische Serie wäre, wäre damit noch lange nicht gesagt, daß die von mir hier postulierte imaginäre Gemeinschaft der StarTrek-Fans das aus der Serie herausliest. Diese Position paßt auch gut zu der Rolle, die Mediascapes bei Appadurai einnehmen.
    Auch aus der Interpretationsgeschichte StarTreks selbst gibt es Unterstützung für diese Position. So wird die Serie als eigenständiger Mythos (Kreitzer 1996) oder als etwas einer Religion ähnliches (Matzker 1997) beschrieben. Und selbst, wer wie Knut Hickethier den Utopiegehalt oder Mythencharakter Star Treks vehement ablehnt, muß nicht gleich zur Amerikanisierungsfront wechseln: die Eigenlogik eines kulturindustriellen Produktionssystems ,,Fernsehserie" reicht bereits aus, um den selbsterhaltenden Fortbestand Star Treks zu erklären; es muß keine externe Ideologie dahinter stehen (Hickethier 1997).

    3.2.3 Fazit: Differenzen beibehalten und darstellen

    Vielleicht ist es - gerade im Umfeld einer Theorie, die auf die Kraft innerer Widersprüche setzt - auch sinnvoll, beide Aspekte zu berücksichtigen: Der Bilderstrom Star Trek kann sowohl aus sich selbst heraus als auch in der Beziehung zum westlichen oder US-amerikanischen Ideoscape gelesen werden. Der Aufhänger für diesen Exkurs war allerdings die Frage danach, ob die Instrumente aus Appadurais Werkzeugkasten auch ohne den Bezug auf traditionelle Kulturen o.ä. auskommen. Appadurais Text (1990) bietet für diesen Fall leider nur wenige Hinweise. Er nennt das Beispiel des Films India Cabaret (1990, S. 303) und die Bezüge zwischen asiatischen Kampfkünsten und den Filmindustrien Hongkongs und Hollywoods (1990, S. 305). Bei all diesen Beispielen gibt es jedoch Verbindungen zu geographisch irgendwie festmachbaren Räumen. Und auch der Begriff des ,,invented homelands" taucht nur im Zusammenhang mit realer Heimat auf:

    At the same time, deterritorialization creates new markets for film companies, art impressarios and travel agencies, who thrive on the need of the deterritorialized population for contact with its homeland. Naturally, these invented homelands, which constitute the mediascapes of deterritorialized groups, can often become sufficiently fantastic and one-sided that they provide the material for new ideoscapes in which ethnic conflicts can begin to erupt. The creation of »Khalistan«, an invented homeland of the deterritorialized Sikh population of England, Canada and the United States, is one example of the bloody potential in such mediascapes. (1990, S. 302).

    Als eine mögliche Lösung für dieses Dilemma erscheint mir ein Vorgehen sinnvoll, das Star Trek zwar als imaginäre Gemeinschaft beschreibt und auch Verbindungen zum Ethno- und Ideoscape Westen aufzeigt - ohne allerdings StarTrek nur als einen Teil des Okzidentalisierungs-Mediascapes zu begreifen, aber dennoch auch die Differenzen zu den stärker am bisherigen Raumbegriff aufgehängten Fallbeispielen verdeutlicht: Der größte Unterschied zwischen ,,invented homelands" und dem Fall StarTrek dürfte darin liegen, daß Geschichte und persönliche Biographie - und damit die (echte oder imaginäre) Verbindung zu vorhergehenden Generationen mit territorialen Bezügen für StarTrek nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Mitglieder der imaginären StarTrek-Gemeinschaft sind nicht aus einem Heimatland vertrieben worden und sind auch nicht in ein anderes Land eingewandert: sie selbst sind im allgemeinen nicht deterritorialisiert. Insofern wird deutlich, daß eine Identitätsbildung über StarTrek und auch eine transnationale virtuelle Gemeinschaft zwar im Bereich des Möglichen liegt, aber eine andere Qualität besitzt, wahrscheinlich im Vergleich zu nationalen, ethnischen oder regionalen Identifikationsmöglichkeiten immer nur zweitrangig bleibt[5]. Die positive Seite dieses Unterschieds liegt darin, daß uns höchstwahrscheinlich blutige Ausschreitungen und brutale Befreiungskämpfe von Trekkern erspart bleiben. Ich möchte nicht behaupten, daß eine Identifikation über StarTrek weniger ernsthaft erfolgen muß als über ,,klassischere" Mittel, sie erscheint mir aber trotzdem oberflächlicher, leichter, weniger tief sitzend.

    3.3 Die Einbettung StarTreks in den theoretischen Bezugsrahmen

    Nach diesen Vorüberlegungen geht es mir jetzt darum, mit Hilfe der im ersten Kapitel ausgearbeiteten Werkzeuge die Funktionsweise StarTreks im Hinblick auf Prozesse kultureller Globalisierung zu beschreiben. Dazu möchte ich zuerst auf die sechs dort genannten globalen Landschaften eingehen: Wie ist StarTrek im Hinblick auf globale Ströme von Menschen, Material und Symbolen positioniert? Da über StarTrek zwar eine relativ umfangreiche Sekundärliteratur vorliegt, diese aber vor allem auf inhaltliche Aspekte der Sendungen eingeht, müssen manche der folgenden Ausführungen notgedrungen spekulativ bleiben. Im vierten Kapitel soll es schließlich darum gehen, ob sich mit Hilfe der hier gewonnenen Beschreibung meine Ausgangsthese von StarTrek als imaginärer Gemeinschaft stützen läßt oder nicht.

    3.3.1 Ethnoscape

    Einige Überlegungen, wie der auf StarTrek bezogene Ethnoscape nicht aussieht, habe ich oben ja bereits angestellt. Wenn Ethnoscape als das Auftreten globaler Bewegungen von Menschen verstanden wird, dann bietet StarTrek meiner Meinung nach vor allem einen Anhaltspunkt: Die tatsächlichen physischen Zusammenkünfte von StarTrek-Fans - etwa auf den Conventions, also den Treffen. Das größte davon, das in Pasadena stattfindet, zieht nach Torsten Dewi (1997b, S. 21) alljährlich über 10.000 Menschen an, die dann an diesem Ort für eine gewisse Zeit natürlich auch präsent sind. Dazu kommen weitere kleinere Conventions auf nationaler Ebene sowie örtliche Treffen von StarTrek-Fanclubs, die ebenfalls eine gewisse Ausstrahlung auf BeobachterInnen hat.
    Hierbei wird eine weitere Anomalie deutlich: Der StarTrek-Ethnoscape ist, bildlich gesprochen, in seiner Zeitachse löchrig: die meisten Fans sind nur für kurze Zeit als solche zu erkennen - etwa über das Tragen von StarTrek-Abzeichen oder StarTrek-Uniformen - und treten nur für noch kürzere Zeiten geschlossen auf. Obwohl die StarTrek-Fangemeinde in den Hauptverbreitungsgebieten der Fernsehserie sicher die Größe klassischer ethnischer Diaspora-Gemeinschaften erreicht[6], bleibt diese Menschengruppe doch weitgehend unsichtbar bzw. ist nur für ein engeres Umfeld überhaupt als unterscheidbar anders wahrnehmbar, während andere Ethnoscapes die Stadtbilder der Global Cities prägen. Die Zugehörigkeit zur imaginären StarTrek-Community wird nur von wenigen Fans ständig offen gezeigt; möglicherweise existiert sie auch nur zeitweise. Im Vergleich zu den Fans anderer Fernsehserien ,,outen" sich StarTrek-Fans jedoch meist doch häufiger und deutlicher[7]. Die Beziehung zwischen Fan und Fernsehserie ist intensiver als anderswo; Dewi spricht hier von Serienfans 2. und 3. Stufe (Dewi 1997b, S. 22f.).
    Auch auf die räumliche Ausdehnung hin bleibt die Ethnoscape-Komponente eher klein; abgesehen von zeitlich kurzen Teilnahmen an World-Conventions oder anderen überregionalen Versammlungen bezieht sich die Fanaktivität vor allem auf das lokale Umfeld. Von einem globalen Strom oder einem Kontinuierlichkeit implizierendem flow kann, was die Wanderungen von Menschen betrifft, also eher nicht gesprochen werden. Der StarTrek-Ethnoscape ähnelt eher einem ab und zu tropfendem Hahn als einem Wasserstrahl.
    Das Bild ändert sich allerdings etwas, wenn neue elektronische Medien miteinbezogen werden, und netzgestützte Kommunikationsakte ebenfalls als Interaktionen begriffen werden. Diese Deutung ist umstritten, wird aber von VertreterInnen der These der Existenz virtueller Gemeinschaften hochgehalten. Dann müssten auch die im Namensraum des Usenet und des WWW durchaus präsenten StarTrek-Gruppen in den Ethnoscape miteinbezogen werden, was zu einer deutlichen räumlichen Ausweitung und Verdichtung führen würde. Diese netzgestützten Kommunikationsakte können allerdings ebensogut als Teil des Mediascapes betrachtet werden. (Vgl. zur Soziologie des Internet allgemein Gräf/Krajewski 1997 und Harasim 1993, zur Netz-Interaktion von StarTrek-Fans speziell Barth/vom Lehn 1996).

    3.3.2 Finanscape

    StarTrek ist auf jeden Fall (auch) ein kommerzielles Produkt. ,,In der Medienindustrie zählt nur, was hohe Einschaltquoten bringt, was sich gut verwerten läßt, was auf Akzeptanz stößt." (Hickethier 1997, S. 137). Das ist bei StarTrek ganz offensichtlich der Fall. Die Erstausstrahlungen der Next-Generation-Staffel erreichten beispielsweise durchschnittlich 17 Millionen ZuschauerInnen, die einzelnen StarTrek-Serien belegen vordere Plätze in der Zuschauergunst, was Fernsehserien anbelangt (Reeves-Stevens 1996, S. 49, Fußnote 6).
    Das StarTrek (auch) eine Unterhaltungssendung ist, daß StarTrek nur funktioniert, weil Paramount damit Geld verdient, ist auch für Fans nicht zu übersehen, wenn z.B. in einem Merchandising-Buch zur Teilserie Deep Space Nine eine Kapitelüberschrift ,,Ein $ehr wichtiges Kapitel in diesem Buch - genaugenommen das wichtigste" (Reeves-Stevens 1996, S. 43) heißt und dann auch genau davon handelt, wie erfolgreich StarTrek kommerziell ist. So wird eine Zahl von 1,3 Millarden Dollar genannt, die das Medienprodukt von 1966-1996 für Paramount eingespielt hat (1996, S. 44).
    Die Produktionsgesellschaft Paramount ist eine Aktiengesellschaft. Einnahmen werden (bei StarTrek) über den Verkauf von Senderechten und Werbezeiten erzielt, ausgegeben wird Geld für Spezialeffekte, Schauspielergagen, Gehälter von ProduzentInnen, AutorInnen, Kameraleuten, Wachpersonal etc. Auch die Imaginationsindustrien sind in dieser Hinsicht ein ganz normaler Industriezweig.
    Genauere Recherchen darüber, wie der Finanscape aussieht, wie also die Gelder global fließen, habe ich nicht angestellt; es ist aber zu vermuten, daß hier eine gewisse globale Komponente vorliegt. StarTrek wird weltweit[8] ausgestrahlt. Schon in der Bundesrepublik dürfte sich der Umsatz von Merchandising-Produkten und Büchern auf relativ hohe Summen belaufen, wobei hier aller Wahrscheinlichkeit nach Lizenzgebühren anfallen. Die Topographie des Finanscape dürfte demnach prinzipiell sternförmig organisiert sein, wobei Paramount das finanzielle Zentrum bildet. Aber auch hier stimmt die Zentrums-Peripherie-Metapher nicht mehr ganz, da insbesondere in der Fanszene weitere unabhängige Wirtschaftskreisläufe hinzukommen.

    3.3.3 Technoscape

    Technoscape - hierzu fallen mir drei mögliche Elemente ein: Erstens gibt es auf der Ebene der Produktion und Ausstrahlung einen gewissen Bedarf an Technik; auch Dienstleistungsindustrien wie die Filmbranche bauen auf Maschinen auf: Kameras, Computer, Modellbau, Schnittplätze, Licht- und Tonanlagen, Satellitensender (teilweise gibt es hier Überschneidungen mit dem Mediascape). Zweitens - und auch dieses Gebiet fällt eher in den Bereich des Mediascapes - setzen Fans in einem hohen Maße klassische und neuartige Kommunikationstechnologien ein, von der Druckmaschine fürs Fanzine bis hin zum Internet-Server, auf dem ein StarTrek-Multi-User-Dungeon läuft.
    Der dritte Bereich, der etwas mit Technoscape zu tun hat (oder haben könnte), ist der mit StarTrek relativ innig verbundene Denkmodus der Sciene-Fiction. StarTrek-Fans sind im Vergleich zu anderen Serienfans ,,überdurchschnittlich gebildet und verdienen überdurchschnittlich viel Geld, das sie auch überdurchschnittlich gerne für Merchandising ausgeben" (Dewi 1997b, S. 23). Das einerseits nochmal als kleiner Nachtrag zum Finanscape, andererseits aber auch als Grundlage für eine kleine Spekulation: Wenn StarTrek-Fans überdurchschnittlich gebildet sind, und StarTrek selbst durchaus als eine technisch orientierte Serie bezeichnet werden kann - ich möchte als Beispiele nur Begriffe wie Phaser, Beamen, Traktorstrahl, Abschirmung, Warp-Antrieb, Lichtjahr, Kommunikator nennen, die in so gut wie jeder Folge vorkommen - dann ist es relativ wahrscheinlich, daß auch überdurchschnittlich viele (Natur-)WissenschaftlerInnen Fans dieser Serie sind. Sollte das zutreffen - was natürlich empirisch untersucht werden müßte - so bliebe die Frage, welchen Einfluß die Serie und die dort vorgestellte technische Zukunftsvision auf die tatsächliche Technikentwicklung hat, etwa als Motivation für bestimmte Forschungen.
    Wenig läßt sich zur Frage sagen, welche globalen Pfade den für StarTrek relevanten Teil des Technoscapes ausmachen. nimmt. ,,Communications technology is fundamental to the argument", meint James Lull (1995, S. 150) in Bezug auf Appadurai. Das gilt auch hier - ein globales Medienprodukt wie StarTrek kann nur rezipiert werden, wenn eine entsprechende globale Medieninfrastruktur vorhanden ist. Diese grundlegende Bedingung muß der Technoscape erfüllen, damit der Mediascape wirksam werden kann - vom Filmstudio über die Sendeanlage bis hin zum heimischen Fernsehgerät.

    3.3.4 Mediascape

    Obwohl natürlich der Mediascape das zentrale Gebiet darstellt, auf dem eine medial organisierte, um ein Medienprodukt zentrierte, imaginäre Gemeinschaft untersucht werden müsste, will ich mich hier relativ kurz fassen, gerade weil es zu diesem Gebiet sehr viel an Material gibt - als Stichwort sei nochmals die Rezeptionsforschung und Inhaltsanalyse aus dem Bereich der cultural studies genannt (vgl. allgemein dazu Lull 1995, speziell zu StarTrek bspw. Hellmann/Klein 1997, Heller 1997, Kreitzer 1996, Weber 1997). Mediascape stellt nach Appadurai immer selbst schon eine Mischung aus der übertragenden Technologie und den Bildern und Texten selbst dar. Zur Technik habe ich mich im Bezug auf den Technoscape schon geäußert - StarTrek nutzt hier einerseits die global vorhandene Infrastruktur der Fernsehanstalten und Kinos, andererseits neuere Medien wie das World Wide Web[9]. Im Zusammenhang mit der Ethnoscape-Debatte bin ich schon kurz auf das Netz als zumindest interaktionsähnlichem Kommunikationsraum eingegangen, in dem die Präsenz von StarTrek deutlich größer als in real-life ist.
    Appadurai schreibt, daß die Narrationen des Mediascape von der ZuschauerInnen genutzt werden, um ihre Vorstellungen über ihr eigenes oder über fremdes Leben daran auszurichten. Dazu werden die im globalen Bilderstrom dargebotenen Texte, Charaktere, etc. genutzt, um daraus Skripte zu formen, die wiederum in Ansammlungen von Metahern zerlegt werden. (Appadurai 1990, S. 299). Aus vielen Selbstbeschreibungen von StarTrek-Fans wird deutlich, daß dieser Aspekt eines Vorbildes, eines Vorrats an kognitiven Strukturen, eine große Rolle spielt. Aber auch in der wissenschaftlichen Beobachtung der ZuschauerInnen wird großer Wert auf diese Mediascape-Eigenschaft gelegt. In seiner Beschreibung der Serienfans 3. Stufe schreibt Torsten Dewi dazu:

    Der Trekker hat praktisch sein gesamtes Privatleben der Serie untergeordnet. Meistens versucht er, sein eigenes Leben nach den Prinzipien der Serie auszurichten. Oft legt er sich auch eine »Alternativexistenz« zu, die aus dem Trek-Universum stammt (als Klingone, als Vulkanier o.ä.). Um die Bindung an die Serie zu stärken und ihr trotzdem nicht sklavisch unterworfen zu sein, erfinden die Trekker eigene Details und Umfelder, in denen sie ihre Varianten durchspielen könne. Diese individuellen Mini-Trek-Universen sind am ehesten in den diversen Rollenspielen und Amateurfilmen sowie auf Conventions zu besichtigen. Besonders interessant ist die Tatsache, daß solche Fans Probleme in ihrer eigenen Welt und in ihrem eigenen Selbstverständnis auf das Trek-Universum übertragen. (Dewi 1997b, S. 22)

    Zwischen den Medienbildern und den mentalen Bildern in den Köpfern der ZuschauerInnen kommt es zu einer Vielfalt von Auseinandersetzung. Einerseits werden die Raster der Serie genutzt, um das eigene Leben zu beschreiben. Damit wird zugleich das eigene Leben zum Interpretationskontext für die Serie. Andererseits ändern sich dabei aber auch die Selbst- und Fremdbilder: ,,Die audiovisuelle Vermittlung der produzierten Träume verändert die persönlichen." (Matzker 1997, S. 153).
    Ein letzter Aspekt des Mediascapes soll nicht unerwähnt bleiben: StarTrek selbst ist auch für Nicht-Fans zu einem Bestandteil des kulturellen Symbolvorrats geworden. Es gibt Redensarten, die auf StarTrek beruhen. Die fiktive Technik der Serie - insbesondere das Beamen - ist zum Allgemeinwissen geronnen. Es gibt Berichte über das Produkt in klassischen Medien. Andere Texte (insbesondere der Science-Fiction) nehmen StarTrek auf und parodieren es, spielen darauf an oder zitieren die Serie. In der Medienwelt - vom Buchladen über das Internet bis zur Tageszeitung - ist StarTrek präsent.

    3.3.5 Ideoscape

    Hat StarTrek einen spezifischen Ideoscape? Wie in den Vorüberlegungen erwähnt, sehen einige AutorInnen in der Fernsehserie eine ziemlich deutliche Darstellung westlicher oder US-amerikanischer Ideologien oder bestimmter Teilbereiche davon. Wenn Appadurai schreibt, daß der Ideoscape sich um Begriffe wie ,,Demokratie" oder ,,Freiheit" konstituiert, so bildet StarTrek ganz sicher einen Ideoscape aus. Ich möchte jetzt nicht im Detail auf die Debatten eingehen, die sich damit befassen, wie dieser Ideoscape denn nun genau aussieht. Hier geben die Texte in Hellmann/Klein (1997) einiges her, und insbesondere in der angelsächsischen Literatur erstreckt sich ein weiter Bogen von Auseinandersetzungen mit StarTrek als Abbild des Kalten Krieges, über die ideologische Komponente des Umgangs mit anderen Kulturen (vgl. Weber 1997) bis hin zu Fragen der Konstruktion von Geschlecht in der Serie (vgl. Heller 1997). Daniel Bernardi beschreibt StarTrek als ein unvollständiges oder fehlgeschlagenes (links)liberal-humanistisches Projekt (1997).
    Zumindest in der Interpretation vieler Fans besitzt StarTrek seine eigenständige Philosophie, die sich in Schlagwörter wie ,,Infinite Diversity, Infinite Combinations" oder der grundlegenden Föderationsregel der Nichteinmischung beschreiben läßt. Diesen Lesarten der Serie lassen sich ungezwungen zum Teil im Widerspruch dazu stehende Bilder anderer Ideologien hinzusetzen, die ebenfalls auftauchen: etwa die militärische Rangordnung der Sternenflotte, der die Raumschiffe der Serie angehören und die auf dem Gehorsamsprinzip aufbaut - und die übrigens sich auch in der Selbstorganisation der Fanclubs findet, die sich in verschiedene Schiffe und Kommandosektionen unterteilen.
    Im Bezug auf den Ideoscape als politisch-ideologischen globalen Fluß von Symbolen ist weiterhin eine Debatte anzusprechen, die StarTrek als quasi-religöse Gemeinschaft diskutiert. Psychoanalytisch-kritisch setzte sich Henry Ebel damit bereits 1980 auseinander. Das Thema ist auch heute noch vieldiskutiert. Pamela Sargent schreibt beispielsweise:

    In some ways, the world of Star Trek bears more resemblance to a cult than to an assemblage of addicts; the series gives fans an eschatology, a liturgy, a philosophy of sorts, and a sense of belonging to a community. People who attend Star Trek conventions [...] may be a minority of Star Trek viewers, but they are the most visible. They have been responsible for [...] turning it into a kind of cult (Sargent 1997, S. 257).

    Zu ähnlichen Schlußfolgerungen kommt auch Reiner Matzker, der einerseits den ,,nichtreligiösen Charakter" der Serie hervorhebt, aber trotzdem ,,Fetischismus und Ritualismus, [...] Missionieren, Werben und Sammeln für die eigene Sache" (1997, S. 149) feststellt. StarTrek läßt sich als ,,quasi- oder pseudoreligiöse Bewegung mit weltlichem, säkulärem Charakter" (ebenda) beschreiben, die ihren Ausgangspunkt in einem kommerziellen Serienprodukt hat. Diesen kommerziellen Charakter betonend, nennt Knut Hickethier in einer Auseinandersetzung über den utopischen Gehalt von StarTrek ,,das Einordnen von Star Trek in den großen abendländischen Zusammenhang der utopischen Weltentwürfe [...] mehr als fragwürdig." (1997, S. 136). Die Serie ist für ihn ein Unterhaltungsprodukt, das vor allem deshalb funktioniert, ,,weil es die Zukunft so ganz gegenwärtig, so durchweg bieder und konvetionell darstellt [...]" (1997, S. 138). Aber selbst dieser Biederkeit und Gewöhnlichkeit kann im Sinne Appadurais ein gewisser Ideologiecharakter nicht abgesprochen werden, und damit erscheint StarTrek durchaus kompatibel zu den in sich verworfenen Ideoscapes aus Versatzstücken von Ideologien der Aufklärung und des Westens, die Appadurai im Zusammenhang mit ethnischen Bewegungen und nicht-okzidentalen okzidentalisierten Staaten beschreibt.

    3.3.6 Socioscape / Sociosphere

    Als letzten Punkt möchte ich kurz skizzieren, wie die von Albrow eingeführten Begriffe Soziosphäre bzw. Socioscape im Zusammenhang mit StarTrek gebracht werden können. Im Gegensatz zu den bisherigen Landschaften, die alle eher aus der Vogelperspektive globaler Netze - mit Zoom zu ihrem jeweiligen lokalen Manifestationen - betrachtet worden sind, müsste eine Untersuchung der Soziosphären von StarTrek-Fans von einem lokalen Punkt ausgehen, etwa von einem Ort, an dem es einen ortsgebundenen Fanclub gibt. In den Soziosphären oder sozialen Beziehungsnetzwerken der einzelnen, konkreten, lokalisierten StarTrek-Fans könnte dann nach Schnittpunkten zum Näheren und Ferneren gesucht werden. Neben vielen Nicht-StarTrek-Kontakten stehen höchstwahrscheinlich die Mitglieder eines örtlichen Fanclubs in unterschiedlich starken Beziehungen zueinander. Dazu kommen überregionale Kontakte, die sich nicht aufgrund von Verwandschaft oder bspw. beruflichen Interessen ergeben, sondern aufgrund gemeinsamer StarTrek-Vorlieben, und die insbesondere durch elektronische Kommunikationsmedien[10] gepflegt werden können. Ausgehend von lokalen Fans könnte so einerseits ein globales, StarTrek-spezifisches Beziehungsnetzwerk zusammengesetzt werden, und andererseits könnte der ortsgebundene Socioscape betrachtet werden, um beispielsweise zu analysieren, wie groß der Anteil der über StarTrek vermittelten Relationen im Verhältnis zu verwandschaftlichen oder freundschaftlichen Relationen ist.
    Nur am Rande sei noch darauf hingewiesen, daß es insbesondere im Bereich der Medienpsychologie auch Untersuchungen darüber gibt, in was für parasozialen Beziehungen FernsehzuschauerInnen zu den Charakteren von Fernsehsendungen treten. Insbesondere bei männlichen ZuschauerInnen wurden als entsprechende ,,Freunde" im Fernsehen relativ oft Serienfiguren aus StarTrek genannt, insbesondere ,,Captain Picard" und ,,Data". Möglicherweise müssten auch diese parasozialen, teilweise quasi-orthosozialen Beziehungen in eine entsprechende Betrachtung miteinbezogen werden. (Vorderer 1996).

    4. Debatte und Ausblick

    4.1 Klüfte und Überlappungen

    Die eben beschriebenen globalen Ströme, an denen StarTrek beteiligt ist, lassen sich jetzt zu einem Bild zusammensetzen. Der Ethnoscape bleibt - zumindest wenn elektronische Kommunikation nicht als soziale Interaktion gesehen wird - auf örtliche Zusammenballungen beschränkt, die nur selten ausgeweitet werden. Zwischen den einzelnen Individuen, aus denen der Ethnoscape besteht, spannt sich zum einen ein soziales Netzwerke - Kontakte zu anderen StarTrek-Fans nehmen einen gewissen Teil der Soziosphäre dieser Individuen ein. Zum anderen bilden die Individuen auch die eine Seite der Endpunkte sowohl des Mediascapes als auch des Finanscapes, d.h. als RezipientInnen und KäuferInnen von Produkten. Die anderen Enden dieser beiden gegenläufigen Ströme liegen örtlich beispielsweise in Hollywood bei Paramount (das damit im übrigen strukturell einen gewissen Homeland-Charakter erlangt). Zwischendrin und teilweise davon abgekoppelt bilden sich Knotenpunkte anderer Waren- und Medienkreisläufe von Fan-Produkten einerseits und den Produkten der Lizenznehmer von Paramount andererseits. Der Technoscape bildet die technische Grundlage für die verschiedenen beteiligten globalen Bilderströme und ist fast nur in dieser Form beteiligt. Der Ideoscape wiederum baut einerseits auf dem Mediascape auf, um andererseits auch in Diskursen von Personen - in gewisser Weise also im Ethnoscape oder in den Soziosphären - (re)konstruiert zu werden.

    4.2 StarTrek als imaginäre Gemeinschaft

    Ich bin von der These ausgegangen, daß die Fans der Fernsehserie StarTrek eine neuartige, nicht-örtliche bzw. transnationale, um ein Medienprodukt zentrierte, imaginäre Gemeinschaft bilden. Auf dem Hintergrund des bisher ausgeführten möchte ich jetzt versuchen, zu beurteilen, ob diese These sich so halten läßt. Für die Tatsache der Zentrierung um ein Medienprodukt scheint dies auf jeden Fall zu gelten - Mediascape steht eindeutig im Mittelpunkt. Wie sieht es mit der zentralen Frage der Gemeinschaft aus? Zumindest in der nicht-klassischen Form einer imaginären Gemeinschaft scheint dies der Fall zu sein - StarTrek-Fans identifieren sich wohl zumindest teilweise mit dem von ihnen rezipierten Medienprodukt und produzieren daraus und aus dem Kontakt mit Gleichgesinnten Bedeutung für ihr eigenes Leben. Hier bieten eventuell Netzwerktheorien einen guten Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen. Transnational bzw. nicht-örtlich ist diese Gemeinschaft ebenfalls nur zum Teil: Sie ist es in dem Sinne, daß die Bilderströme und Finanzströme, die damit verbunden sind, weltweit ablaufen, und daß sich die einzelnen Fans höchstwahrscheinlich als Teil einer weltumspannenden Gemeinschaft fühlen. Sie ist es nicht, da es kaum zu Wanderungsbewegungen von Menschen kommt, der organisationelle Niederschlag dieser Gemeinschaft eher im lokalen Bereich zu finden ist und es sehr klare Zentren zu geben scheint. Vielleicht kann diese Art der Gemeinschaft als eine transnationale beschrieben werden, die aber in ihrer konkreten Manifestation weiterhin an das Lokale gebunden ist. Ulrich Beck, der sich hier auf J. Rosenau und A. McGrew bezieht, bezeichnet diese Entstehung transnationaler »Gemeinschaften« als u.a. kennzeichnend für die Situation einer unrevidierbar polyzentrischen Weltpolitik und sieht Kristallisationspunkte ,,in Religion (Islam), in Wissen (Experten), in Lebensstilen (Pop, Ökologie), in Verwandschaft [...] usw." (Beck 1997, S. 70).
    Bleibt die Frage, ob derartige transnationale imaginäre Gemeinschaften eine neuartige Erscheinung sind. Ich möchte dies vorerst mit nein beantworten. Religionen und politische Ideologien haben schon seit langem zu ähnlichen transnationalen Prozessen geführt. Allerdings erscheint die Gemeinschaftsbildung insofern als neuartig, als bisher Lebensstile und ähnlich individuumszentrierte, ,,triviale" Kerne eben nicht zur Bildung von Gemeinschaften genutzt worden sind. Etwas bösartig könnte der Vergleich zu Scientology gezogen werden, wo aus Science-Fiction heraus eine Art Religionsgemeinschaft entstanden ist - möglicherweise hat StarTrek ja ein ähnliches Potential.
    Um die Frage, ob meine These haltbar ist, endgültig zu beantworten, müsste wahrscheinlich sehr viel stärker empirisch gearbeitet werden. Viele der im Kapitel 3 aufgestellten Spekulationen lassen sich erst durch Interviews mit Fans und anderen Akteuren der mit StarTrek verbundenen Ströme beantworten. Bis dahin muß die Frage ungeklärt bleiben, ob StarTrek-Fans sich als Mitglieder einer transnationalen Gemeinschaft fühlen.

    Anhang

    Anhang: Übersicht über StarTrek als Medienprodukt

    Die Science-Fiction-Serie StarTrek ist inzwischen auf ein umfangreiches Repertoire an Fernsehserien, Kinofilmen, dem StarTrek-Kosmos zugeordneten Büchern, Computerspielen und weiteren merchandising-Artikeln angewachsen. Der folgende kurzgefaßte chronologische Überblick soll wichtige Etappen der Produktion von StarTrek veranschaulichen.[11]
    1964 Idee für StarTrek durch Gene Roddenberry.
    Drehbeginn Pilotfilm ,,The Cage".
    Ablehnung des ersten Pilotfilms (Ausstrahlung erst in den 80er Jahren),
    Produktion eines zweiten Pilotfilms durch Desilu.
    Ausstrahlung des zweiten Pilotfilms.
    1966 Ausstrahlung der ersten Episoden der klassischen StarTrek-Fernsehserie
    (,,Classics") durch NBC.
    Absetzung von StarTrek durch NBC, vorläufige Fortführung nach massiven
    Publikumsprotesten.
    1967 Aufkauf von Desilu durch Paramount, Rechte seitdem dort.
    1968 S. Whitfield: The Making of StarTrek erscheint.
    1969 Erneute Absetzung der klassischen Serie bei NBC (79 produzierte Episoden).
    1970 Verkauf an den Syndication-Markt (Ausstrahlung jetzt nicht mehr über NBC,
    sondern durch lokale Senderketten und durch Fernsehstationen weltweit).
    1972 Die erste offizielle StarTrek-Convention (Fan-Zusammenkunft).
    1974/75 Produktion und Erstausstrahlung von StarTrek als Zeichentrickserie (22 Episoden).
    1979 Kinofilm ,,StarTrek - The Motion Picture" (Geplant bereits 1974).
    1982 Kinofilm ,,StarTrek II - The Wrath of Khan"
    1984 Kinofilm ,,StarTrek III - The Search for Spock"
    1986 Kinofilm ,,StarTrek IV - The Voyage Home"
    1987 Start der Ausstrahlung von ,,StarTrek: The Next Generation" als Fortsetzung der klassischen Fernsehserie, direkter Verkauf an den Syndication-Markt.
    1989 Kinofilm ,,StarTrek V - The Final Frontier"
    1991 Kinofilm ,,StarTrek VI - The Undiscovered Country"
    1992 Pilotfilm zur Serie ,,StarTrek: Deep Space Nine"; Start der Spin-Off- Fernsehserie ,,StarTrek: Deep Space Nine".
    1994 Letzte Folge der Serie ,,Star Trek: The Next Generation" produziert.
    Kinofilm ,,StarTrek - Generations"
    1995 Aufbau eines eigenen USA-weiten Fernsehnetzes (UPN) durch Paramount, Start mit der Spin-Off-Fernsehserie ,,StarTrek: Voyager".
    1996 Kinofilm ,,StarTrek - First Contact"
    1998 Eröffnung eines StarTrek-Themenparks.
    StarTrek: Voyager und StarTrek: Deep Space Nine werden weiterhin produziert, ebenso soll es Ende 1998 einen neunten Kinofilm geben.
    Darüber hinaus wurde und wird StarTrek in Form von Videokassetten, Büchern (Nacherzählungen der Fernsehfolgen und eigenständige Geschichten, Merchandising), Computerspielen und weiteren Merchandising-Produkten (Raumschiffmodelle, etc.) sowie neuerdings auch auf einer ausschließlich StarTrek gewidmeten Web-Site www.startrek.com von Paramount vermarktet. Der amerikanische Buchkatalog www.amazon.com listet weit über tausend Medien (Bücher, CD-ROMs, Audiokassetten, Videokassetten, Laserdiscs) auf, die das Wort ,,star trek" im Titel enthalten, das Verzeichnis lieferbarer Bücher (www.vlb.de) nennt zur Zeit 166 im deutschen Buchhandel erhältliche StarTrek-Titel. Neben den von Paramount vermarkteten oder lizensierten Produkten gibt es unzählige Fan-Produkte - von regelmäßigen Conventions (Versammlungen) über Fan-Zeitschriften und selbstgenähten Uniformen bis hin zu StarTrek-Kochbüchern und wissenschaftlichen Journalen, die sich mit der klingonischen Sprache befassen.


    Literaturverzeichnis

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    Martin Albrow: ,,Travelling beyond local cultures: Socioscapes in a global city"; in Eade 1997a, S. 37-55.

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    Kerstin Meyer: Die Science-Fiction Serie Star Trek als amerikanischer TV-Export. Unveröff. Hausarbeit im WS 97/98 am Institut für Soziologie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg.

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    Peter Vorderer: ,,Picard, Brinkmann, Derrick und Co. als Freunde der Zuschauer. Eine explorative Studie über parasoziale Beziehungen zu Serienfiguren"; in: ders. (Hrsg.): Fernsehen als ,,Beziehungskiste". Opladen: Westdt. Vlg, 1996.

    Weber 1997

    Ingrid Weber: Unendliche Weiten. Die Science-Fiction-Serie Star Trek als Entwurf von Kontakten mit dem Fremden. Frankfurt/Main: IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, 1997.


    [1] Wie ich es oben als Variante 2 beschrieben habe beziehungsweise wie es Abram de Swaans Diktum nahelegt, daß die Soziologie der transnationalen Gesellschaft ,,nicht auf die Analyse von globaler Kultur als Phänomen an sich beschränkt sein [soll]; sie sollte vielmehr das Netzwerk von Publikums- und Konsumentenbeziehungen analysieren, welches mit dem Aufkommen der internationalen Massenmedien und des globalen Marketings entstanden ist." (1995, S. 109).
    [2] Für die Bandbreite dieses Produktes vgl. Anhang 1.
    [3] Hier würde ich durchaus auch Bezüge zum Ideoscape sehen.
    [4] Vgl. zum Notting Hill Carnival http://www.carnival.com/cityguides/london/lon_carn.htm.
    [5] Interessant wäre hier eine empirische Befragung von ,,harten" StarTrek-Fans im Hinblick auf ihre kulturelle Identität.
    [6] Für die USA bis zu 20 Millionen ZuschauerInnen und bis zu 300.000 harte Fans (Reeves-Stevens 1996, S. 192).
    [7] Dies ist allerdings eher mein persönlciher Eindruck; Pamela Sargent behauptet in einer Buchbesprechung zu einem Buch über StarTrek-Abhängigkeit das Gegenteil und hält es für sozial akzeptabler, sich als Fan anderer Fernsehserien zu outen (Sargent 1997, S. 257).
    [8] Eine Anfrage an Paramount, in wieviele Länder der Erde StarTrek verkauft wird, und was die Spitzenreiter sind, wurde leider nicht beantwortet ...
    [9] Wobei sich die Bandbreite hier von offiziellen Seiten Paramounts über Selbstdarstellungen der großen Fan-Organisationen über elektronische Chatrooms bis hin zu Seiten, die sich bspw. mit einzelnen Episoden befassen, und von engagierten Fans gestaltet wurden. Die Suchmaschinen liefern eine Vielzahl von Treffern, wenn nach ,,Star Trek" gesucht wird.
    [10] Vgl. hierzu auch den Beitrag von Gräf in Gräf/Krajewski 1997.
    [11] Daten bis 1995 vor allem aus Reeves-Stevens 1996; neuere Informationen aus dem Fan-Magazin Subspace. Vgl. auch (auch für einen groben Überblick über den Inhalt der StarTrek-Serien) die einleitenden Kapitel von Hellmann/Klein 1997 (S. 7-24).