Ist es ein Widerspruch in sich, von einem soliden Culture-Roman zu sprechen? 'Look to Windward' kann jedenfalls so bezeichnet werden -- wieder einmal haben wir es mit der Culture, interessant gezeichneten Individuen und noch interessanteren jüngeren und älteren Alien-Kulturen zu tun. Die Spannung -- gekoppelt an die Frage, ob ein Attentäter Erfolg haben wird oder nicht -- hält bis zum Schluss, die Situation ist fremdartig und überzeugend zu gleich, und auch ein paar Exkurse in fremdartige Welten und ein bißchen Culture im Schaukasten fehlen nicht. Dazu eine Prise 'Schiffe mit seltsamen Namen' (und ein wirklich witziger Dialog) sowie ein bißchen 'Aus dem Tagebuch eines Orbital-Hubs', Gigadeath-Katastrophen und menschliche Schwächen, Extremsportarten und die Debatten zur Frage, ob Wiedergeburt oder Tod mehr eine Mode oder eine Philosophie ist, und ob religiöse Gesetze noch gelten müssen, wenn der Himmel selbstgebastelt ist.
Wer einen soliden Culture-Roman lesen möchte, interessante Charaktere und Kulturen kennenlernen will, sich spannend und politisch korrekt unterhalten fühlen möchte usw. usf. ist mit 'Look to Windward' gut bedient, besser jedenfalls als mit 'Player of Games' oder als mit 'Feersum Endjin'. Aber irgendetwas fehlt dem Buch etwas -- trotz Spannungsbogen sind die gewichtigen Rätsel mit der letzten Seite verblast, die Schlussüberraschung ist zwar nett, aber -- naja. Fast könnte es naheliegen, Vergleiche mit der Culture selbst anzustellen: nett, unterhaltsam, hedonistisch, extrem, am Spaß orientiert und durchaus auch mal riskant -- aber mehrere tausend Jahre lang dieses Programm? Und dazu kommt der Verdacht, dass einiges doch etwas abgeschrieben wirkt -- bei Banks selbst (etwa in der Art und Weise, wie die Culture sich vergnügt, sich in andere Entwicklungen einmischt, dabei Fehler begeht, wenn alles noch eine Spur älter, größer und gigantischer sein muss), wenn es um die Aliens geht, vielleicht ein bißchen bei Vernor Vinge, und auch andere Ideen sind anderswo schon mal aufgetaucht, gigantische biologische schwarmartige Staatssysteme bei Bruce Sterling, ein eine Welt (na gut, hier "nur" ein Orbital) umfassender Fluss bei Dan Simmons und in einem Datenspeicher mitreisende Persönlichkeitsmodule erinnern an William Gibson.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: 'Look to Windward' hat mir Spaß gemacht (auch wegen Banks Sprache), und es hat sich durchaus gelohnt, sich die jetzt als Taschenbuch erschienene Ausgabe zu kaufen. Aber das Gefühl des ganz Neuen, das Über-das-Buch-Nachdenken nach der letzten Seite -- das fehlte irgendwie.
(orig. 2000)