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lesenswerte science fiction


KEN MACLEOD
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MacLeod, Ken (2003 [2001]): Dark Light. New York: Tor.

Dark Light stellt als Fortsetzung zu Cosmonaut Keep den zweiten Teil der dreiteiligen Serie »The Engines of Light« dar. Zur Erinnerung: in Cosmonaut Keep geht es um die »Second Sphere«, von intelligenten Lebewesen - Menschen, Menschenartige, Kraken, Saurier, ... -- bewohnt Planetensysteme, die viele Lichtjahre von der Erde entfernt liegen. Die Lebewesen dort haben sich arrangiert; gemeinsam ist ihnen, dass sie aus unterschiedlichen historischen Situationen in die Second Sphere mit ihrem Zentrum Nova Babylonia auf dem Planeten Nova Terra versetzt worden sind. Auch die Besatzung der »Bright Star« -- des vormaligen ESA- Raumschiffs »Marshall Titov« -- wird über einen Eingriff in das Navigationssystem in dieses Sternensystem transferiert. Praktischerweise sind die Kosmonauten (die EU ist hier sozialistisch) durch experimentelle Eingriffe extrem langlebig -- gut nicht nur für die Dramaturgie. In Cosmonaut Keep wurde die Second Sphere -- insbesondere der Planet Mingulay -- als Handlungsort etabliert und in einem zweiten Handlungsstrang die -- MacLeod-übliche anarchistisch-sozialistische -- Entwicklung auf der Erde bis zum Transfer der Bright Star in die Second Sphere dargestellt.

Dark Light spielt größtenteils auf dem Planeten Croatan, ebenfalls in der Second Sphere. Rawliston ist ein expandierender, von Menschen (»Christen«) besiedelter Stadtstaat, der sich durch eine auf Losverfahren beruhere Rätedemokratie auszeichnet und gerade eine Hochphase der frühen Industrialisierung durchmacht. Daneben liegt das Valley, von »Heathens« bewohnt (sie selbst nennen sich Sky People), Menschen, die bewusst steinzeitlich leben, es dabei aber zu größter Perfektion in der Verarbeitung von Keramik und Stoffen gebracht haben - bis hin zu Gleitern und »Balloon Trains«, mit denen Güter transportiert werden. Neben Rawlistons Rätedemokratie steht die Macht der Port Authority, die dazu da ist, den extraplanetaren Handel zu kontrollieren -- in regelmäßigen Abständen landen die von Kraken gesteuerten Schiffe der großen Handelsfamilien, als Zwischenstation zu ihre Lichtsprüngen nach Nova Terra. Alles ändert sich, als die »Bright Star« in Rawliston landet -- ohne Hilfe von Kraken, sondern allein durch die Zusammenarbeit des Sauriers Salasso mit dem Kosmonauten Matt Cairns, seinem Nachfahren Gregor und dessen Freundin Elizabeth. Das Handelsmonopol der großen Familien ist in Gefahr - und nicht nur das.

Was auf den ersten Blick nach gewöhnlicher Space Opera klingt -- langlebige Astronautenhelden, Handelsfamilien mit ihren, der zeitlichen Entfremdung durch Überlichtsprünge geschuldeten Traditionen, Außerirdische (und die Entführung von Menschen durch diese) -- wird bei MacLeod durch drei Themen zu etwas Eigenständigem und Innovativem.

Das ist zum einen der MacLeod-typische politische Hintergrund, der sich hier in Diskussionen zwischen dem trotzkistischen Kosmonauten Volkow (und seiner lokalen Partei) und dem eher anarchistischen Cairns abspielt, vor allem aber in den Auseinandersetzungen um Revolution und die fragile Koexistenz von Rawliston und Valley. Dabei werden in überzeugender Weise - getriggert durch die durch Raumfahrt und Langlebigkeit mögliche große Zeitperspektive -- auch ethische Fragen angeschnitten: Dürfen die Bewohner von Croatan als Material behandelt werden, bei dem kleinere Verluste für das große Ganze hinzunehmen sind? Reicht es aus, kaufmännisch-ehrlich mit Nachhaltigkeit im Blick zu handeln? Oder muss die Entscheidung über ihre eigene Zukunft nicht letztlich doch den dort lebenden intelligenten Wesen überlassen werden?

Zweitens stellen sich die selben ethischen Fragen, um eine Ebene nach oben verschoben, im scheinbaren Haupthandlungsstrang des Buches: Ziel der alten »Bright Star«-Kosmonauten ist es, den Göttern einen Besuch abzustatten und diesen einige drängende Fragen zu stellen -- nicht zuletzt danach, warum die »Bright Star« Jahrtausende und Lichtjahre weit weg transferiert wurde. Götter: das sind in diesem Fall Objekte im Sonnensystem, die wie Asteroiden oder Kometen wirken, tatsächlich aber von Schwarmintelligenzen auf einem Nanomaßstab durchzogen sind -- Wesenheiten, für die das ganze Universum ein Spielfeld darstellt.

Und drittens variieren einige der aus meiner Sicht nettesten Stellen des Buches das Thema Sex vs. Gender: Gail ist Mechanikerin in Rawliston -- was auch dort als untypische Beschäftigung für ein Mädchen angesehen wird, Stone ist zwar biologisch ein Mann, hat aber keine Lust, andere umzubringen und zählt deswegen im Valley als Frau, macht Frauenarbeit und trägt Frauenkleidung. Beide lernen sich kennen ...

Insgesamt ist auch der zweite Band der Engines-of-Light-Serie empfehlenswert für alle, die spannende, stellenweise sehr ironische, insgesamt etwa ungewöhnliche und außerhalb der üblichen Kategorien positionierte Sciencefiction mögen.

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Diese Seite wurde zuletzt geändert am: 08.01.2005